Claudia Clark
Author and Speaker

In meinen vorherigen Beiträgen habe ich immer mal wieder über meine Herausforderungen mit der deutschen Sprache gesprochen und auch meine Lernbehinderung und ADHD erwähnt. Ich denke jedoch, dass beides in meinem Leben eine derart wichtige Rolle gespielt hat, dass ein eigener Blog darüber verdient.

Ich hatte bereits von klein auf Schwierigkeiten in der Schule, was mich jedoch nicht davon abgehalten hat, fleißig zu sein und an meinen Zielen zu arbeiten. Ich habe dafür sogar sehr häufig Aktivitäten, die für Teenager üblich sind, geopfert und bin z.B. nicht zu unseren Schulbällen gegangen, weil ich noch lernen und Hausaufgaben machen wollte. Wie bei den meisten Menschen mit Lernbehinderungen haben meine Test-Ergebnisse und Zensuren nie meine Bemühungen und die viele Arbeit reflektiert, die ich darin investiert hatte.

Auf eine amerikansiche Highschool zu gehen ist für die meisten Kindern bereits Herausforderung genug, aber ich hatte zusätzlich zu meiner Lernbehinderung auch noch mit der Brustkrebsdiagnose meiner Mutter zu kämpfen. Ich war damals 15 Jahre alt als wir von der Nachricht erfuhren. Ich ging damals in die 10. Klasse und hatte mich zudem um meine Mutter zu kümmern, die dann eine Chemotherapie machte. Ich war nie eine wirklich gute Schülerin, aber zu der Zeit gerieten meine Zensuren ins Schwanken. Geisteswissenschaftliche Fächer waren ok, aber Mathe war stets eine Herausforderung für mich. Obwohl ich dreimal die Woche Nachhilfe hatte, brachte ich immer nur Fünfen nach Hause. Ich war so schlecht in Algebra, dass mein Lehrer damals vor der gesamten Klasse sagte „Du bist die dümmste Schülerin, die ich jemals in meiner 20 jährigen Laufbahn als Lehrer hatte.“ Ich fühlte mich in jenem Moment so dermaßen gedemütigt, dass es noch viele Jahre dauerte, ehe ich darüber sprechen konnte – noch nicht einmal mit meiner Mutter oder mit meinen Freunden.

Glücklicherweise kann ich sehr stur sein und ich mochte schon immer Leuten beweisen, dass sie falsch lagen. Obwohl ich meine Mathe-Klasse nicht wiederholen musste, ärgerte mich meine schlechte Note, die nun in meinem Zeugnis stand. Und so beschloss ich, die gleiche Klasse nochmal während der Ferien im Rahmen eines Sommerkursus zu belegen. Diese Ferienkurse sind dafür bekannt, dass sie deutlich schwieriger sind als die normalen Kurse während des Schuljahres, aber ich wollte es einfach probieren. Dank eines wunderbaren Lehrers konnte ich tatsächlich meine Leistungen in Mathematik von einer 5 auf eine 1 steigern. Leider erschien aus technischen Gründe diese Zensur nicht im meinem Zeugnis und sie hat meinen Notendurchschnitt nicht verbessert, aber ich wollte trotzdem demonstrieren, dass mir dies wichtig war und dass ich kompetent genug war, etwas nochmal zu versuchen und dabei Erfolg zu haben. Im Übrigen gelang es mir später an der Universität, in den Statistik-Kursen mit einer Zwei abzuschneiden.

Leider blieb es nicht nur bei den Bemerkungen des Algebra-Lehrers. Im folgenden Jahr hatte ich mit meiner Geometrie-Klasse so starke Probleme, dass sogar mein Arzt mir davon abriet, mit diesem Kurs weiter zu machen. Mein Berater an der Schule formulierte es drastischer: “Michigan State Universität ist die einzige Uni, die dir auch ohne Geometrie eine Zusage zum Studium geben wird – die nehmen jeden, der die Aufnahmegebühr von $20 zahlt.“ Dieses Mal jedoch ging ich zu meiner Mutter, die dann die Schule anrief. Ich wurde sofort aus meiner Französisch-Klasse herausgeholt und zum Büro des stellvertretenden Schulleiters gebeten, der sich dann bei mir entschuldigte. Aber das war’s dann auch schon. Ich hatte keinen anderen Berater zugewiesen bekommen und auch trauriger Weise nie eine Entschuldigung von ihm persönlich erhalten. Noch nicht einmal, als ich ihm dann später meine insgesamt vier Zusagen von den sogenannten Big-10-Colleges zeigte.

Um ganz ehrlich zu sein, wollte ich eigentlich nie auf eine Universität, da ich meine Zeit in der Highschool so gehasst hatte. Aber ich wusste, dass dies in meiner Familie keine Option war, von daher ging ich doch. Die ersten zwei Jahre waren sehr hart für mich. Als ich jedoch die Kurse besuchte, die mich wirklich interessierten – Geschichte und Politik – hatte ich plötzlich Erfolg. Ich schaffte es sogar zum ersten Mal im Laufe meiner akademischen Laufbahn auf die sogenannte „Dean’s List“ – eine Auszeichnung, die nur die besten Studenten des Jahrganges erhielten.

Falls Sie meinen Lebenslauf gesehen oder die Informationen über mich auf der Webseite gelesen haben, dann wissen Sie, dass ich drei Master-Abschlüsse habe. Vielleicht fragen Sie sich, wie jemand, der so arge Probleme hatte und Schule verabscheute, einen Universitäts-Abschluss erreichten konnte bzw. sogar drei. Nun, das ist eine lange und auch ein wenig langweilige Geschichte, aber ich will mich kurz fassen:

Ich machte meinen ersten Master-Abschluss in Arbeits- und Industriebeziehungen. Damals hatte ich gehofft, mich für Arbeitnehmer einzusetzen und ihre Arbeitsbedingungen zu verbessern. Ich konnte jedoch in diesem Bereich keinen Job finden und fing stattdessen an, im Personalwesen zu arbeiten. Während meiner Zeit als Mitarbeiterin einer Personalabteilung störte ich mich zunehmend an den unethischen und illegalen Personalpraktiken, die dort herrschten: Ich bekam mit, wie Leute aufgrund ihrer Religion entlassen wurden, oder dass Mitarbeiter aufgrund ihres Alters keine Beförderung erhielten, oder wie man einfach wegschaute, wenn jemand sexuelle Belästigungen meldete. Ich hatte es satt, unser Management stets darauf hinzuweisen, dass diese Dinge illegal sind, nur um zu hören “Sie sind die Personalabteilung – finden Sie einen Weg, die Gesetze zu umgehen.“ Ich wusste nicht, dass Integrität ein Haftungsrisiko war. Dieser ständige Kampf führte zu gesundheitlichen Problemen und meine Migräne, unter der ich seit meiner Kindheit leide, verschlimmerte sich durch häufigere und stärkere Anfälle. Ich ging längere Zeit in mich und kam dann zu der Entscheidung, meinen Master in Geschichte zu machen.

Obwohl ich diesen Studiengang sehr mochte, gab es leider in diesem Feld wenige Arbeitsplätze und sehr zu meiner Enttäuschung wurde ich nicht in ein Doktoranden-Programm aufgenommen. In der Zwischenzeit wurden meine Migräne-Anfälle immer schlimmer und ich musste mir überlegen, wie ich meine Zukunft plane. Schlussendlich entschied ich mich für ein weiteres Studium, dieses Mal Sozialarbeit mit dem Fokus auf Stadtteil- und Bürgerorganisation. Dadurch habe ich bei einigen sehr wichtigen Kampagnen mitgewirkt, u.a. ging es um soziale Gerechtigkeit und politische Kampagnen, wie z.B. um Abtreibungsrechte, Finanzierungsmaßnahmen für Schulbezirke und Wahlkampagnen. Leider litt ich weiterhin unter Migräneanfällen, die mir eine regelmäßige Arbeit immer mehr erschwerten, selbst als Teilzeit. Traurigerweise habe ich dann 2010 Arbeitsunfähigkeit beantragen müssen, wurde aber von meinen Ärzten der Hoffnung nicht genommen, eines Tages wieder arbeiten zu können.

Dieses Buchprojekt ist etwas, was mir seit gut zehn Jahren wieder einen Lebenszweck gegeben hat. Sicherlich ist es ein großer Schritt vorwärts für mich, aber es hat auch viele alte Wunden geöffnet. Als ich zu meinem Buch von den unterschiedlichen Verlegern und Agenten das erste Feedback bekam und teilweise extrem negative (und meiner Meinung nach unnötig harsche) Kritik dabei war, fühlte ich mich wie damals als 15jährige Schülerin in der Mathe-Klasse.

Ich glaube jedoch, dass meine Geschichte es wert ist, gehört zu werden. Und so wie ich mich damals von meinen Lehrern und anderen “Mentoren” nicht habe einschüchtern lassen, so werden mich die Leute heute auch nicht abschrecken können. Die Welt ist leider rau und Menschen können grausam sein. Um erfolgreich zu sein, braucht man ein dickes Fell und darf es nicht zulassen, dass die Hasser einem seine Ziele zerstören.