Claudia Clark
Author and Speaker

Die Chinesische Mauer, die Berliner Mauer und nun Trumps Mauer – eine Mauer, die quer durch die USA entlang seiner südlichen Grenze verlaufen und das Land von den zentral- und südamerikanischen Staaten trennen soll. Seitdem ich in Deutschland lebe spreche ich darüber, warum aus deutscher Sicht Mauern etwas Uneffektives darstellen. Sicherlich lagen dem der Bau der Berliner Mauer und Trumps Mauer unterschiedliche Motive zugrunde – mehr dazu gleich – und beide sind nicht unbedingt miteinander zu vergleichen. Doch trotzdem wurden bzw. werden in beiden Fällen Menschen, Familien, und Nationen durch eine große Zementbarriere getrennt – bei weitem kein Symbol von Freiheit und Demokratie.

Die Berliner Mauer wurde im August 1961 von der damaligen, unter dem Einfluss der Sowjetunion stehenden Regierung Ostdeutschlands errichtet. Es sollte damit die Flucht der Ost-Berliner in das freiere, ökonomisch stabilere West-Berlin verhindert werden. Vor dem Mauerbau war es den Berlinern relativ einfach möglich, über die Stadtgrenze zu gehen, um in dem jeweils anderen Teil zu arbeiten, Kulturveranstaltungen oder Freunde oder Familie zu besuchen. Doch niemand hatte damit gerechnet, dass plötzlich in der Nacht vom 12. auf den 13. August 1961 Telefonleitungen zwischen Ost- und West-Berlin gekappt und Eisenbahntrassen blockiert wurden und Bauarbeiter Löcher in den Boden gruben, um Betonpfeiler zu errichten und entlang der Stadtgrenze zwischen Ost- und West-Berlin einen Stacheldraht zu ziehen. Das Schicksal der ahnungslos schlafenden Berliner war quasi über Nacht für die kommenden Jahrzehnte besiegelt.

Können Sie sich vorstellen, wie sich ein Ost-Berliner gefühlt haben muss, der an jenem Sonntag vorhatte, den Abend bei seinem besten Freund in West-Berlin zu verbringen – und dann plötzlich realisieren musste, dass er nicht nur seinen Freund womöglich nie wieder sehen würde, sondern auch von allem beraubt wurde, was ihm bis dato so vertraut war – allem voran seine Freiheit. Wenn es jemals einen Moment gab, an dem die Menschen daran erinnert wurden, dass Freiheit, Familie und Freunde keine Selbstverständlichkeit sind, dann war es der 13. August 1961. Wie schwer würde es Ihnen fallen, ein letztes Mal Ihrem Hund zuzuwinken? Oder Ihrem Nachbarn ein letztes Mal zuzuwinken und zu realisieren, dass Sie ihn nie im Leben wiedersehen werden, da Sie plötzlich durch eine Beton-Mauer getrennt wurden?

Die Gesamtlänge der Berliner Mauer betrug gut 167 km. Sie ging einmal quer durch das Zentrum von Berlin, sowie auch um ganz West-Berlin herum, wodurch West-Berlin  komplett von Ost-Deutschland abgegrenzt wurde. Die provisorische Mauer, die in der Nacht vom 12. auf den 13. August hochgezogen wurde, ist nur zwei Tage später von einer festeren, permanenten Struktur ersetzt und mit Stacheldraht versehen worden. 1965 erhielt die Mauer erneut eine Transformation, bei der Zementwände mit Stahlträgern implementiert wurden. Während ihrer 28-jährigen Geschichte gab es noch weitere bauliche Veränderung, die zwischen 1975 und 1985 stattfanden: Die Mauer bestand zum Schluss aus knapp 4 Meter hohen und 1,20 breiten Betonplatten, auf denen zum Teil Rohre als „Krone“ verliefen, die verhindern sollten, dass Menschen sich an der Mauer hochziehen konnten.

Im November 1989 fiel mit dem Fall des Kommunismus auch die Mauer. Doch bis dahin hatte die Regierung Ostdeutschlands weitere Sicherheitsmaßnahmen in Form von Minenfeldern, KFZ-Gräben, elektrischen Zäunen, 302 Wachtürmen, 20 Bunkern, einem 100-Meter breiten „Niemandsland“ und einer weiteren Mauer errichtet. Diese Anlagen wurden von Soldaten mit Wachhunden patrouilliert und es gab einen geharkten Boden, auf dem beim Betreten der Anlagen Fußspuren zu sehen waren.

Im Verlaufe ihres 28-jährigen Bestehens gelang ungefähr 5000 Menschen die Flucht nach West-Berlin. Genaue Zahlen sind immer noch nicht bekannt, aber es starben schätzungsweise zwischen 192 und 239 Menschen bei ihren Fluchtversuchen.

Wie bereits zuvor erwähnt, sind die Gründe für den Bau der Berliner Mauer und Trumps Wunsch nach einer Grenzmauer sehr unterschiedlich. Die ostdeutsche Regierung hatte damals die Mauer gebaut, um ihre eigenen Bürger daran zu hindern, in eine demokratische, freiere Gesellschaft mit besseren ökonomischen Möglichkeiten zu fliehen. Sie kontrollierte ihre Bürger, indem sie ihnen den Zugang zur restlichen Welt verweigerte und sie dazu hinter einer Betonmauer einsperrte. Der Fall der Mauer war ein unmittelbares Resultat des Zusammenbruchs der kommunistischen Regierung gepaart mit ihrem wirtschaftlichen Niedergang. Es hatte 28 Jahre gedauert, aber schlussendlich fiel die Mauer, und als sie es tat wurde ihr Fall überall auf der Welt gefeiert. Ich war damals 16 Jahre alt, an jenem dunklen, kalten Novemberabend in Michigan. Als im Haus meiner Mutter der Fernseher lief und ich die ersten Bilder sah, habe auch ich vor Freude gejubelt, als wäre ich mit dabei, direkt neben den Menschen, die endlich wieder frei waren. Während die kommunistische Regierung Ost-Berlins mit der Mauer ihre Bürger als Gefangene in ihrem eigenen Land hielt, will Trump mit der Mauer verhindern, dass Menschen, die keine US-Bürger sind, die amerikanische Grenze übertreten.

Trumps Wahlversprechen Nummer eins und Lieblingsprojekt ist der Bau einer wunderschönen Zementmauer: entlang der südlichen Grenze der USA zu Mexiko, einmal quer durch Amerika, von Ozean zu Ozean. Abgesehen von der Effektivität und den Kosten einer solchen Mauer, gibt es Millionen von moralischen, praktischen und sogar rechtlichen Gründen, die gegen eine Struktur wie diese sprechen. Trotzdem schwören Trump und seine Befürworter hoch und heilig, dass diese Barriere der einzige Weg ist, Amerikaner vor den Gangs, Drogen und anderen illegalen Dingen zu schützen, die die Menschen aus den südlicheren Nationen mitsichbringen.

Während Demokraten und Republikaner verbesserte Sicherheitsmaßnahmen an der Grenze sowie die Notwendigkeit von Reformen bei der Immigrationspolitik unterstützen, halten viele US-Bürger – darunter auch einige republikanische Gesetzemacher – die Mauer für eine uneffektive Lösung zu einem komplexen Problem.

Ursprünglich versprach Trump den Amerikanern, dass Mexiko für eine solche Mauer zahlen würde. Als zu Beginn seiner Amtszeit klar wurde, dass Mexiko diesbezüglich keinerlei Absicht hatte, bat Trump den US-Kongress um finanzielle Unterstützung. Doch in den ersten zwei Jahren seiner Amtszeit, in der die Republikaner die Mehrheit im Senat und Repräsentantenhaus hatten, konnte Trump dafür keine Unterstützung erhalten. Dies zeigt, dass lediglich Trump und seine Anhänger diese Aktion befürworten.

 

Im Laufe der Zeit änderte sich die Definition von „Mauer“ mehrfach. Sie hieß dann „Barriere“ oder sogar „Pfirsich“. Auch änderten sich die Baumaterialien –  von Beton zu Stahl – auch wurde die Länge der Mauer und die Umsetzbarkeit des Vorhabens diskutiert. Experten argumentierten, dass es in bestimmten Abschnitten bereits Barrieren und Zäune geben würde und somit das Errichten einer weiteren Struktur daher unnötig wäre. Zudem wurde angebracht, dass es zu Rechtsstreitigkeiten mit Grundstücksbesitzern über die Nutzung ihrer Privatgelände käme, was amerikanische Gerichte über Jahre hinweg beschäftigen würde. Besitzer von Privatgrundstücken wären gezwungen, ihr Land zu verkaufen, eine 150 Jahre alte Kirche stünde im Weg und auch Tiere und Pflanzen würden von dem Bau der Mauer beeinträchtigt sein – darunter ein Naturschutzgebiet für Schmetterlinge. Doch schließlich wurden die Baukosten zu einem besonderen Streitpunkt, vorallem, als die Demokraten sich nicht damit einverstanden erklärten, die von Trump geforderten 5 Milliarden Dollar zu bewilligen. Demokraten unterstützten im Großen und Ganzen keine Barrieren, hatten jedoch politisch nichts dagegen, mehr Gelder für die Sicherung der bestehenden Anlagen auszugeben oder in neue Technologien zu investieren wie z.B. Drohnen. Demokraten waren jedoch fest davon überzeugt, dass der Bau einer Mauer unmoralisch und uneffektiv war, so dass sie sich weigerten, das Vorhaben zu finanzieren. Das Resultat dieser Sackgassen-Situation: Trump weigerte sich, den US-Haushaltsbeschluss zu unterzeichnen, was zu einer vorrübergehenden Stilllegung der Regierung und Behörden führte. Aufgrund von Trumps Wutanfall über eine uneffektive, den Rassismus fördernde Mauer, erhielten mehr als eine Millionen Regierungsangestellte und Vertragspartner 35 Tage keine Gehälter.

Nach diesen 35 Tagen realisierte selbst Trump das von ihm geschaffene politische und wirtschaftliche Desaster und unterzeichnete einen vorübergehenden Haushaltsbeschluss für 3 Wochen, so dass die Behörden zumindest bis zum 15. Februar 2019 wieder ihrer Arbeit nachgehen konnten.

Die Mitglieder in beiden US-Kammern arbeiteten unter Druck an einem Plan, um eine erneute Regierungsstilllegung zu verhindern. In seiner finalen Version einigte sich das Komitee, das mit einer Kompromissfindung beauftragt war, auf Gelder in Höhe von 5,6 Milliarden Dollar zur Sicherung der Grenze. Darunter sind 1,375 Milliarden Dollar für neue Grenzbefestigungen auf einer Länge von 55 Meilen entlang der südwestlichen Grenze gedacht. Nur widerwillig unterzeichnete Trump diesen Gesetzentwurf, denn er hatte wohl realisiert, dass eine erneute Stilllegung der Regierung politischer Selbstmord wäre. Immer noch darüber schmollend, dass es nicht genug Gelder für seine Mauer gab, tat er etwas, von dem ihm seine Berater dringend abgeraten hatten: Trump rief den Nationalen Notstand aus. Er dachte, dass er damit einer Zustimmung durch den Kongress umgehen und notwendige Gelder von anderen Ressourcen bekommen konnte.

Die Regierung in Ost-Deutschland errichtete die Mauer in Berlin, um ihre eigene Bevölkerung als Geisel zu halten. Familien, Freunde und Landsleute wurden aufgrund einer Betonmauer von ihren Eltern, Ehepartnern, Geschwistern sowie von ihrer Kultur und Lebensweise für 28 Jahre getrennt. Ost-Deutsche wurden bei ihren Fluchtversuchen in die Freiheit erschossen. Menschen hatten gehofft, dass mit dem Einsturz der Berliner Mauer und dem Ende des Kalten Krieges Regierungen keine physikalischen Barrieren oder Beton-Mauern mehr errichten würden.

Amerika wurde von Menschen gegründet, die wirtschaftlicher Härte und religiöser Verfolgung entfliehen wollten. Eine Mauer in Amerika zu errichten ist nicht nur teuer, unmoralisch und uneffektiv, sondern vor allem heuchlerisch. Der Bau einer solchen Mauer verletzt die Prinzipien derer, die die Vereinigten Staaten gegründet hatten. Kinder von ihren Eltern zu trennen und sie dann in Käfige zu stecken ohne ihnen einen fairen Prozess zu ermöglichen ist nicht nur unmenschlich, sondern unamerikanisch. Eine Mauer als Determinante zu errichten steht nicht für das, für was wir als Amerikaner stehen.

Niemand spricht sich dafür aus, dass alle Grenzen offen sein sollen. Wir plädieren für eine vernünftige und effektive Immigrationsreform. Lassen Sie uns das Geld, das für Gefangenenlager und den Bau einer Mauer ausgegeben wird, lieber dafür nutzen, stärkere diplomatische Beziehungen mit ausländischen Politikern aus den Länder aufzubauen, die die größten Probleme haben. Niemand möchte seine Heimat verlassen, wenn die Lebensbedingungen tolerierbarer sind und man keine Angst um sein Leben haben muss. Lassen Sie uns mit humanitären Organisationen zusammenarbeiten, um Gangs und Drogen zu bekämpfen. Lassen Sie uns Gelder zum Bau von Brücken benutzen und nicht für Mauern. Wir leben nicht mehr in der Zeit des Kalten Krieges. Wir sollten die Mobilität der Menschen nicht durch eine Mauer einschränken – weder, um sie an der Aus- noch an der Einreise zu hindern. Lassen Sie die Menschen frei sein.